| Lebensmittelsicherheit

Radiocäsiumbelastung von Schwarzwild: Untersuchungsgebiete aufgehoben

Gute Nachrichten für Wildbret-Liebhaber: Die aktuelle umfassende Auswertung von über 24.000 Datensätzen des Landesuntersuchungsamtes (LUA) hat gezeigt, dass das Fleisch von Wildschweinen aus allen rheinland-pfälzischen Gemarkungen auch von sogenannten Vielverzehrern unbedenklich konsumiert werden kann (siehe Hintergründe 1 und 4). Die bisherige Festlegung von Untersuchungsgebieten kann daher 38 Jahre nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl – durch den die Flächen der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des „Fallout“ unterschiedlich stark kontaminiert worden waren – formal aufgehoben werden (siehe Hintergrund 2). Bislang musste in zwei festgelegten Untersuchungsgebieten im Pfälzerwald und im Hunsrück jedes erlegte Schwarzwild auf Radiocäsium untersucht werden.

Die Jäger, in ihrer Funktion als Lebensmittelunternehmer, gewährleisten im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht auch weiterhin, dass an die Verbraucherinnen und Verbraucher ausschließlich verkehrsfähiges und sicheres Wildschweinfleisch abgegeben wird, das die lebensmittelrechtlichen Vorgaben erfüllt (siehe Hintergrund 3). Deshalb führen sie nach wie vor entsprechende Eigenkontrolluntersuchungen durch – zukünftig aber ohne staatliche Reglementierung, d.h. ohne formale Festlegung von Untersuchungsgebieten. Damit kann sichergestellt werden, dass Schwarzwildfleisch mit einer festgestellten Strahlenbelastung, die über dem EU-weit gültigen Grenzwert von 600 Becquerel pro Kilogramm (Bq/kg) liegt, nicht in den Handel kommt, sondern unschädlich beseitigt wird.

Die amtliche Lebensmittelüberwachung in Rheinland-Pfalz kontrolliert darüber hinaus weiterhin stichprobenartig und risikoorientiert Schwarzwildfleisch, das bereits in den Verkehr gebracht worden ist (Stichwort „Kontrolle der Eigenkontrolle“). Dazu werden Schwarzwildproben aus der Wildbretverarbeitung, dem Wildbrethandel oder auch von Gastronomiebetrieben oder spezialisierten Metzgereien entnommen und im LUA auf Radiocäsium untersucht. In den letzten 10 Jahren hat die amtliche Lebensmittelüberwachung in Rheinland-Pfalz 739 Proben Schwarzwildfleisch untersucht – in keiner einzigen Probe wurde eine Grenzwertüberschreitung für den Parameter Radiocäsium festgestellt.

Hintergrund 1: Ausführungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zum Verzehrverhalten von Wildfleisch

Abschlussbericht „Lebensmittelsicherheit von jagdlich gewonnenem Wildbret“ des BfR vom 19. Dezember 2014 (PDF)

Hintergrund 2: Historie und Ursache der Radiocäsiumbelastung von Schwarzwild

Anfang Mai 1986 wurden die Flächen der Bundesrepublik Deutschland durch den „Fall-out“ Tschernobyl aufgrund unterschiedlicher Niederschlagsmengen unterschiedlich stark kontaminiert. Die resultierende erhöhte Gesamtstrahlenbelastung stammte zu einem erheblichen Teil von den radioaktiven Cäsium-Isotopen Cäsium-134 und Cäsium-137. Die Summe der Aktivität von Cäsium-134 und Cäsium-137 wird als Radiocäsium bezeichnet. Cäsium-137 hat eine physikalische Halbwertszeit von 30 Jahren. Da Cäsium-134 eine physikalische Halbwertszeit von zwei Jahren hat, hat es heute keine Relevanz mehr bei der Ermittlung der Radioaktivität. 

Während Cäsium-137 aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften auf landwirtschaftlich genutzten Flächen so fest im Boden gebunden ist, dass es nicht mehr in die Nahrungskette aufgenommen werden kann, tritt es auf den sauren Waldböden vorwiegend in den organischen Schichten auf und gelangt über die Versorgungswurzeln wieder in die Pflanzen. Hierdurch liegt in Waldökosystemen ein nahezu geschlossener Kreislauf von Cäsium-137 vor, der jetzt noch nach vielen Jahrzehnten zu erhöhten Cäsium-137-Belastungen führen kann.

Die meisten Wildtiere, die in geschlossenen Waldökosystemen leben, ernähren sich von den Pflanzen, die dort wachsen. Sie nehmen daher mehr Cäsium-137 auf als Tiere, die in unbelasteten Ökosystemen leben. Besonders stark ist Schwarzwild betroffen, das als Allesfresser einen erheblichen Teil seiner Nahrung aus dem Boden wühlt und dabei belastete Futterbestandteile aufnimmt, insbesondere die für den Menschen ungenießbaren Hirschtrüffel. Schwarzwild, dessen Einstand in der Nähe von Waldrändern liegt, ernährt sich vorwiegend auf landwirtschaftlich genutzten Flächen mit geringer Cäsium-Belastung. Diese Wildschweine weisen folglich auch oft niedrigere Kontaminationen mit Cäsium-137 im Muskelgewebe auf. 

Hintergrund 3: Lebensmittelrechtliche Vorgaben

Für die Beurteilung von im Verkehr befindlichen Lebensmitteln (z.B. Schwarzwildfleisch aus Rheinland-Pfalz oder andere in der EU erzeugten Lebensmittel) gelten die Höchstwerte der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1158 der Kommission vom 5. August 2020 über die Einfuhrbedingungen für Lebens- und Futtermittel mit Ursprung in Drittländern nach dem Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl in Verbindung mit den Empfehlung der Kommission vom 20. Februar 2003 über den Schutz und die Unterrichtung der Bevölkerung in Bezug auf die Exposition durch die anhaltende Kontamination bestimmter wild vorkommender Nahrungsmittel mit radioaktivem Cäsium als Folge des Unfalls im Kernkraftwerk Tschernobyl und der Empfehlung 2003/274/Euratom der Kommission vom 14. April 2003 über den Schutz und die Unterrichtung der Bevölkerung in Bezug auf die Exposition durch die anhaltende Kontamination bestimmter wild vorkommender Nahrungsmittel mit radioaktivem Cäsium als Folge des Unfalls im Kernkraftwerk Tschernobyl, d.h. für Schwarzwild ist in Bezug auf die radioaktive Kontamination mit Cäsium-137 ein Höchstwert von 600 Bq/kg einzuhalten.

Wird bei Wildbret eine Höchstwertüberschreitung festgestellt, darf es nicht verzehrt werden, sondern muss durch die Tierkörperbeseitigungsanstalt entsorgt werden. Den privaten Jägern steht hierfür durch den Bund eine Ausgleichszahlung nach § 38 Abs. 2 Atomgesetz zu.

Nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 tragen die Lebensmittelunternehmer dafür Sorge, dass Lebensmittel die Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllen. Jeder Jäger, der Wildfleisch in den Verkehr bringen will, ist als Lebensmittelunternehmer i.S. des Art. 3 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 anzusehen; er führt im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht Eigenkontrolluntersuchungen durch, um zu gewährleisten, dass die von ihm in Verkehr gebrachte Ware verkehrsfähig und sicher ist. 

Da die Gebiete bekannt sind, in denen nach wie vor mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit Radiocäsium-belasteten Wildschweinen zu rechnen ist, besteht dort Grund zu der Annahme, dass das Schwarzwild so hoch belastet sein kann, dass von ihm ein unmittelbares oder mittelbares Risiko für die menschliche Gesundheit ausgeht. Daraus ergibt sich für den jeweiligen Jagdausübungsberechtigten als Lebensmittelunternehmer die Verpflichtung, das Schwarzwild vor dem Inverkehrbringen untersuchen zu lassen, um sicherzustellen, dass die von ihm in den Verkehr gebrachten Lebensmittel unbedenklich sind. Wenn Wildbret außerhalb des häuslichen Bereichs an Dritte abgegeben oder verkauft wird, spricht man von „Inverkehrbringen“.

Hintergrund 4: Ergebnisse der Eigenkontrollen

Übersicht über die Strahlenbelastung von Schwarzwild im Pfälzerwald ab 01.04.2011 (PDF)

Übersicht über die Strahlenbelastung von Schwarzwild im Hochwald ab 01.04.2011 (PDF) 

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